Erfolgloser Eilantrag gegen das Verbot von "Montagsspaziergängen";
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Januar 2022

Rundschreiben Nr. 088_2022

Das Bundesverfassungsgericht hat einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, der sich gegen Beschlüsse des VGH Mannheim sowie des VG Freiburg richtete. Die Gerichte hatten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ein im Wege der Allgemeinverfügung erlassenes Versammlungsverbot gebilligt, das sich präventiv gegen eine prinzipiell unbestimmte Vielzahl von Versammlungen richtete, die mit Aufrufen zu „Montagsspaziergängen“ oder „Spaziergängen“ im Zusammenhang stehen.

Nach Auffassung der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) muss es der Klärung in einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, ob solche Verbote mit Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) im Einklang stehen (Beschluss vom 31. Januar 2022 - Az. 1 BvR 208/22. Diese Frage wird bislang auch von den Verwaltungsgerichten unterschiedlich beurteilt.

Vor diesem Hintergrund trifft das BVerfG seine Entscheidung auf der Grundlage einer Folgenabwägung und betont in diesem Zusammenhang, dass die fachgerichtliche Würdigung naheliege, wonach „die Nichtanmeldung der ‚Montagsspaziergänge‘ […] offensichtlich den Zweck [verfolge], vorbeugende Auflagen zu umgehen und es zu vermeiden, Verantwortliche und eine hinreichende Anzahl von Ordnern zu benennen, welche auf die Einhaltung der von der Versammlungsbehörde vorbeugend oder während der Versammlung erlassenen Auflagen hinwirkten“.

Davon ausgehend hätten die Gerichte auch annehmen dürfen, „dass diejenigen Personen, die zu solchen ‚Spaziergängen‘ aufriefen oder gewillt seien, an diesen teilzunehmen, überwiegend nicht dazu bereit seien, versammlungspolizeiliche, dem Infektionsschutz dienende Auflagen, wie insbesondere das Tragen von Masken oder das Einhalten von Abständen, zu beachten“. Dabei konnten sich die Gerichte auch auf Erfahrungen mit ähnlichen Versammlungen berufen.

Im Rahmen der Folgeabwägung räumt das BVerfG sodann dem Gesundheitsschutz ein höheres Gewicht als möglichen Beeinträchtigungen der Versammlungsfreiheit ein. Zum Nachteil des Beschwerdeführers sei dabei besonders zu berücksichtigen, „dass durch die Gestaltung der Versammlung als ‚Spaziergang‘ eine Vorfeldkooperation und damit eine gegenüber dem Verbot grundrechtsschonende Begleitung der Versammlung durch die Versammlungsbehörde und die - dezentral agierenden - Organisatoren im Vorfeld gezielt verunmöglicht worden ist, was dem Beschwerdeführer vor dem Hintergrund der Ausgestaltung der Versammlung als unangemeldetem Spaziergang offensichtlich bewusst ist“.

[Text]
02.02.2022